In der Märzausgabe von 50+Lautern schildert die Mediatorin Christina Wenz, wie Mediation bei Streit ums Erbe helfen kann.
Streitsituationen selbstbestimmt beilegen
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Rüdiger H. und Martina B. sind Geschwister. Sie haben vor kurzem nach dem Tod ihrer Mutter gemeinsam deren Vermögen geerbt. Dieses besteht im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus in Mannheim. Die Geschwister haben schon längere Zeit ein recht abgekühltes Verhältnis, aber die Frage, was aus dem Haus werden soll, bringt das Fass zum Überlaufen: Es gibt nur noch Streit. Martina, die in Mannheim wohnt, würde das Haus gerne übernehmen und mit ihrer Familie dort einziehen. Rüdiger, der in München lebt, besteht jedoch darauf, dass sie die Hälfte des von einem Gutachter ermittelten Wertes des Hauses zahlt. Das kann sie sich nicht leisten – Und ehrlich gesagt, fände sie das auch sehr ungerecht, da sie sich im Gegensatz zu Rüdiger jahrelang sehr intensiv um die kranke Mutter gekümmert hat. Rüdiger droht sogar damit, die Zwangsversteigerung des Hauses herbeizuführen, wenn es nicht bald zu einer Einigung kommt.
Der Streit belastet Martina sehr, sie hat plötzlich ständig Bauchweh und Kopfweh – Sie erkennt ihren Bruder gar nicht wieder, er kommt ihr plötzlich so kalt vor. Neben der Trauer um ihre Mutter empfindet sie das Ganze als extreme Belastung. Sie kann schon nachts kaum noch schlafen. Sie weiß gar nicht, wie man aus dem Teufelskreis des Streits rauskommen soll. Mit ihrem Bruder ist gar kein vernünftiges Wort mehr möglich. Es finden endlose Diskussionen statt, die keinen Schritt weiterführen und alles nur noch schlimmer machen. Nur mit ihrer Schwägerin Bea, Rüdigers Frau, ist das Gespräch noch auf vernünftige Art und Weise möglich. Da Bea völlig genervt davon ist, so zwischen den Stühlen zu sitzen und den Beiden endlich eine gute und friedliche Lösung wünscht, überredet sie die Geschwister dazu, sich mit einem Mediator zusammenzusetzen.
Skeptisch und missmutig stimmen die Beiden zu. Als eine Woche später die erste Mediationssitzung stattfindet, fallen die Geschwister anfangs sehr in ihr altes Muster des lautstarken Zeterns. Die Mediatorin lässt zunächst jeden seine Sicht der Dinge schildern. Im Anschluss erfahren die Beiden was Mediation überhaupt genau ist. Die Geschwister möchten dem Verfahren eine Chance geben. Daher legt die Mediatorin mit ihnen zunächst die Regeln der gemeinsamen Zusammenarbeit fest. In den kommenden Sitzungen hilft die Mediatorin den Beiden dabei, herauszufinden, was ihnen in Bezug auf das Thema „Haus“ wichtig ist. Rüdiger erfährt, dass das Haus für Martina eine Verbindung zur Mutter darstellt – Sie trauert sehr. Sie hat einen sehr starke Bezug zu dem Gebäude, es stellt für sie Heimat dar und ist eine Erinnerung an eine sehr schöne Kindheit. Mehrfach weint Martina verzweifelt, da sie der Gedanke, das Haus aufzugeben, sehr traurig macht. Das tut ihrem Bruder dann doch etwas leid. Er erfährt auch, dass Martina zuletzt mit der Pflege der Mutter sehr überfordert war und sich sehr allein gelassen gefühlt hat. Er hatte sich von der ganzen Situation sehr abgeschottet und war selten nach Hause gekommen. Das Verhältnis zu den Eltern war nicht besonders gut. Er hatte immer das Gefühl, dass Martina von den Eltern stark bevorzugt wird und hatte daher auch früh das Bedürfnis, sich von ihnen abzunabeln. Daher war es ihm wichtig, dass die Schwester nicht noch beim Erben eine „Vorzugsbehandlung“ bekommt. Aber er sieht auch ein, dass seine Schwester eigentlich für die Situation mit seinen Eltern wenig kann. Er wünscht sich aufgrund der Vorgeschichte eine absolut gerechte Regelung. Martina kann Rüdigers Situation mittlerweile sogar ein bisschen nachvollziehen, da sie tatsächlich immer der Liebling der Eltern war. Durch das gegenseitige Zuhören findet ein langsames aufeinander Zugehen statt. Beide haben den Wunsch, möglichst bald Ruhe zu finden und die belastende Angelegenheit abschließen zu können.
Die Mediatorin entwickelt mit den Beiden eine Lösung, welche die Bedürfnisse beider berücksichtigt. Nach einigen Sitzungen gelingt es, eine Vereinbarung zu treffen, bei der Rüdiger der Schwester ein bisschen mit dem Preis entgegenkommt und ihr die Möglichkeit gibt, den Betrag über acht Jahre in Raten zu zahlen. Kurze Zeit später wird diese Vereinbarung beim Notar beurkundet. Zwar ist das Verhältnis zwischen den Geschwistern noch immer etwas angespannt und unterkühlt, aber Beide sind sehr entlastet und erleichtert, gemeinsam eine gute Lösung gefunden zu haben. Martina kann nachts wieder schlafen und auch die körperlichen Beschwerden haben sich wieder gelegt.
Für die Falldarstellung wurde ein fiktives Beispiel gewählt.