Das junge Ehepaar K. ist mit seinen zwei Katzen vor einigen Monaten in ein kleines Häuschen auf dem Lande gezogen. An sich wäre alles perfekt, wenn da nicht Charly wäre, der Hund der Nachbarin Frau P. Charly geht regelmäßig alleine auf Tour.
Mediation statt Gericht – auch bei Hundefragen
Diesen Artikel als PDF-Dokument herunterladen
Das junge Ehepaar K. ist mit seinen zwei Katzen vor einigen Monaten in ein kleines Häuschen auf dem Lande gezogen. An sich wäre alles perfekt, wenn da nicht Charly wäre. Die Häuser liegen recht weit auseinander und sind beide nicht eingezäunt. Bei schönem Wetter sitzt Frau P. gemütlich in ihrem Garten –Charly immer mit dabei. Da Frau P.aufgrund ihres Alters keine großen Spaziergänge mehr unternehmen kann, geht Charly regelmäßig alleine auf Tour. Hierbei landet er wie selbstverständlich bei den K.s im Garten, erledigt dort sein Geschäft und jagt die Katzen des Pärchens über die Wiese. Frau K. hat auch ein bisschen Angst vor dem Hund, da sie keine Erfahrung mit diesen Tieren hat und ihn schwer einschätzen kann.
Mehrfach hat das Pärchen versucht, mit Frau P. zu sprechen, jedoch ohne Erfolg. Da Frau P. gar nicht verstehen kann, wie man etwas gegen Besuche ihres Charly haben kann, prallen jegliche Argumente an ihr ab. Die ältere Dame ist völlig unbelehrbar. Nach einigen Monaten hat sich bei den K.s großer Frust angesammelt. Sie sehen es nicht ein, wegen Charly das riesige Grundstück einzäunen zu müssen, die Kosten gingen ja in die Tausende. Frau P. mit dem Anwalt zu drohen kommt beiden zu heftig vor, da die ältere Dame eigentlich sonst sehr nett ist und sie im Sommer mit Kirschen aus dem Garten und regelmäßig mit Kuchen versorgt. Dass ein Gang zum Anwalt bzw. vor Gericht schnell verhärtete Fronten schaffen kann, dessen ist sich das Paar bewusst. Schließlich wünschen sich beide, dass ein un eingeschränktes Wohlfühlen in dem schönen Haus möglich ist – ganz ohne Nachbarschaftsstreit. Das Paar ist sich aber auch einig, dass der Zustand so nicht bleiben kann – zumal Frau K. schwanger ist und das Paar nicht möchte, dass Charly ständig in den Garten kommt, bzw. sein Geschäft dort verrichtet, wenn das kleine Kind dort spielt. Doch was kann man tun?
Idee Mediation
Als Herr K. einem Arbeitskollegen das
Problem schildert, bringt ihn dieser
auf die Idee, es mal mit einer Mediation
zu probieren. Das Pärchen ist sich
schnell einig, dass dies der richtige
Weg sein könnte. Frau P. ist zunächst
schwer zu überzeugen – sie sieht die
Notwendigkeit nicht. Man verstehe
sich doch so gut, wozu brauche man
das denn? Sie kann sich unter dem
Begriff „Mediation“ auch nicht wirklich
viel vorstellen. Da das Pärchen
aber unbedingt ein Treffen bei dieser
Mediatorin möchte und keine Ruhe
gibt, erklärt sie sich zu einer ersten
Sitzung im Büro der Mediatorin bereit.
Bei der ersten Mediationssitzung darf
jeder erst einmal sagen, warum er da
ist, wo der Schuh drückt. Schnell wird
klar, dass sich bei den K.s sehr viel
Frust aufgebaut hat. Frau P. ist recht
überrascht, dies so geballt zu hören,
da sie zuvor kein wirklich schwerwiegendes
Problem gesehen hat.
Was Mediation ist ...
Dann erfahren die Beteiligten
zunächst, was Mediation überhaupt
ist – und was sie nicht ist: Mediation
ist ein Verfahren, das dabei hilft, Konflikte
auf friedlichem Weg zu lösen –
ohne Einbeziehung eines Gerichtes.
Der Mediator führt die Streitendendurch das Verfahren und hilft ihnen,
eine Lösung zu finden, mit der alle
Beteiligten gut leben können. Daher
gibt es – im Gegensatz zum Großteil
der Gerichtsverfahren – meist keine
Verlierer, sondern nur Gewinner.
In der Mediation werden die Streitenden
als Experten ihres Konflikts
angesehen, die selbst am besten einschätzen
können, was gut für sie ist.
Daher trifft der Mediator selbst keine
Entscheidungen in Bezug auf das
Lösungsergebnis. Er hilft stattdessen
jedem Einzelnen, herauszufinden, was
ihm wichtig ist und wie die Lösung,
die optimal zu seiner Lebenssituation
passt, aussieht. Das Ehepaar K. und
auch Frau P. würden es gerne mit der
Mediation versuchen. Frau P. ist jetzt
auch klargeworden, dass es durchaus
Redebedarf gibt. Auch sie erklärt sich
bereit, das Mediationsverfahren zu
versuchen.
Zunächst wird festgelegt, wie man in der Mediation zusammenarbeiten möchte – d.h. Punkte wie z.B. Gesprächsregeln werden festgelegt. Die Mediatorin erklärt, dass sie allparteilich ist. Dies bedeutet, dass sie für alle Beteiligten gleichermaßen da ist. Hierin unterscheidet sich der Mediator von einem Anwalt, der meist nur die Rechte einer Partei vertritt. Im Anschluss wird festgelegt, worüber man in der Mediation genau sprechen möchte. Häufig gibt es in Mediationen mehrere Themen, die besprochen werden sollen. Im „Fall Charly“ ist man sich jedoch einig, dass nur das Thema „Charlys Besuche im Garten der K.s“ relevant ist. Ansonsten verstehen sich ja alle prima.
Gute Nachbarschaft erhalten
Im nächsten Schritt werden alle Fakten,
die für die Entscheidung wichtig
sind, gesammelt. Dann arbeitet die
Mediatorin mit jedem Beteiligten seine
Bedürfnisse und Interessen heraus.
Es wird genau hinterfragt, welche
Aspekte für den jeweiligen Beteiligten
in der Lösung enthalten sein müssen,
damit er damit gut leben kann. Die
K.s möchten sich ohne Störungen
von Charly in ihrem Garten aufhalten
können und wollen dabei aber
nicht gezwungen sein, einen Zaun zu
errichten. Schließlich genieße man
diese Freiheit und Offenheit auf dem
Land sehr. Auch ist den beiden das
nachbarschaftliche Verhältnis zu Frau
P. sehr wichtig.
Frau P. ist dies auch sehr wichtig – unter anderem, weil sie das Pärchen sehr nett findet und auch oft einsam ist. Deshalb ist auch ihr Charly so wichtig für sie. Dem Pärchen wird an diesem Punkt erst wirklich bewusst, dass der Hund das Ein und Alles für die einsame ältere Dame ist. Frau P. möchte unbedingt, dass der relativ junge Hund ein möglichst artgerechtes Leben mit viel Auslauf hat. Da sie aber aufgrund körperlicher Gebrechen nicht lange spazieren gehen kann, ist ihr wichtig, dass Charly den Auslauf auf andere Weise bekommt.
Durch das gegenseitige Zuhören und Erfahren der Bedürfnisse des Anderen wird das Verständnis füreinander gestärkt und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen wächst. Im weiteren Verlauf der Mediation werden dann verschiedene Lösungsmöglichkeiten gesucht und gesammelt. Diese Lösungssuche ist ein sehr kreativer Prozess. Danach wird geschaut, welche Lösung den Bedürfnissen aller Beteiligten möglichst gerecht wird.
Keine Schuldzuweisungen
Ziel einer Mediation ist eine schriftliche
Vereinbarung, die für alle
Be teiligten bindend ist. Es wird – wie
ja bereits erwähnt – eine Lösung
gesucht, mit der alle Beteiligten
gut leben können. Hierzu wird nicht
geschaut, wer an dem Konflikt schuld
ist oder wer sich in der Vergangenheit
falsch verhalten hat. Es wird vielmehr
überlegt, was man in der Zukunft
anders machen kann, damit alle
zufrieden sind.
Im „Fall Charly“ erklärte sich Herr K., der für sein Leben gerne wandert und joggt, dazu bereit, den agilen Charly einmal am Tag zu einem ausgiebigen Spaziergang oder einer Joggingrunde mitzunehmen. Da die ältere Dame ihm sehr am Herzen liegt und ihm klargeworden ist, was der Hund für Frau P. bedeutet, ist er gerne hierzu bereit. Frau P. wird Charly nicht mehr frei laufen lassen und stattdessen ganz kleine Gänge an der Leine mit ihm unternehmen. Nachdem ihr in der Mediation erst so wirklich bewusst wurde, wie sehr die K.s durch Charly gestört sind, und da ja auch ein Baby unterwegs ist, hat sie sich dazu entschlossen, einen kleinen Teil ihres Gartens einzuzäunen. Hier kann sie dann mit dem freilaufenden Charly sitzen, wenn das Wetter es zulässt.
Mediation ist in vielen Fällen eine wirklich sinnvolle Alternative zu Gerichtsverfahren. Insbesondere da, wo man noch lange mit dem Gegenüber zu tun hat, macht dieser Weg der friedlichen Konfliktlösung sehr viel Sinn. Die Bandbreite der Konflikte, die rund um das Thema „Hund“ denkbar sind, ist fast unendlich. Ob beim Hundekauf, in der Nachbarschaft oder im Hundeverein – schnell kommt es zu Konflikten, die Emotionen kochen über und man findet sich in einer sehr belastenden Situation wieder. Da einem das Wohl des Tieres am Herzen liegt, sind Konflikte rund ums Tier oft besonders nervenraubend. Häufig scheint der Gang vor Gericht der einzige Ausweg zu sein, um die belastende Situation zu beenden. Dabei sollte bei Konflikten rund ums Tier immer an eine Mediation gedacht werden. Dies ist eine Alternative, die meist Nerven, Zeit und Geld spart.
Grundsätzlich ist Mediation bei allen Konflikten denkbar. Wichtig ist nur, dass alle Beteiligten bereit sind, eine gemeinsame Lösung zu entwickeln, mit der alle leben können. Wer nur an seinen festgefahrenen Forderungen festhält, sollte besser vor Gericht ziehen. Auch wenn ein Gespräch untereinander gar nicht mehr möglich ist, ist dieser Weg meist der sinnvollere. Das Positive an der Mediation ist, dass hierbei nicht nur juristische Aspekte beachtet werden können, sondern auch die persönlichen Bedürfnisse der Beteiligten und – nicht zuletzt – das Wohl des Tieres. Und im Gegensatz zu vielen Gerichtsverfahren kann man sich nach einer Mediation noch in die Augen schauen – so auch die K.s und Frau P.: alle Beteiligten sind glücklich mit der Lösung. Herr K. findet es schön, einen Begleiter bei seinen Runden durch den Wald zu haben, sogar seine Frau hat sich schon etwas mit dem Hund angefreundet. Frau K. genießt nun un eingeschränkt ihren Garten und ist voll ungetrübter Vorfreude auf ihr Baby. Frau P. ist glücklich über das tolle Verhältnis mit den Nachbarn und ihren neuerdings durch die viele Bewegung völlig ausgeglichenen Hund.