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Presse

Wenn Menschen zu Eseln werden: Wie sich Zweibeiner um Vierbeiner zoffen. Die Mediatorin Christina Wenz spricht von alltäglichen Scharmützeln und wie man diese lösen kann. Die Voraussetzung: eine Bereitschaft zum Konsens.

Wie Hund' und Katz'

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Ein tierischer Stress: Was, wenn sich nicht die Vierbeiner, sondern Herrchen und Frauchen streiten wie Hund’ und Katz’? Beispiel Alfdorf im Rems-Murr-Kreis: Hier berichtet die Bild-Zeitung über einen skurrilen Nachbarschafts-Streit. Auf der einen Seite des Drahtzauns: ein Tierbesitzer mit fünf Eseln, vier Ponys und sieben Lamas. Auf der anderen Seite: ein Rocker-Club samt Clubhaus. Die Crux: Rocker und Tiere haben Zoff, der Zaun wurde bereits beschädigt, die Polizei ermittelt, Tierbesitzer und Hundetrainer Jürgen Löw ist verzweifelt. Eine Einigung ist nicht in Sicht, die Fronten sind verhärtet... Es müssen nicht gleich Lamas und Rocker sein, die sich ankeifen. Ganz alltäglich gibt es immer wieder Zankäpfel zwischen abgöttischer Tierliebe und völliger Verständnislosigkeit. Das Gebell in der Nachbarschaft – klingt harmlos, ist aber nicht selten Auslöser für mittelschwere Krisen im Quartier. Auch ein Klassiker: der Hundekot im eigenen Vorgarten. Vierbeiner heben das Beinchen, und Zweibeiner gehen auf die Palme. Schnell ist’s geschehen.

Christina Wenz kennt solche Fälle. Die Juristin arbeitet als Mediatorin. Streiten sich zwei Parteien, können sie den Weg über Gerichte gehen. Der ist aber oft langwierig und kann teuer werden. Und das alles wegen des Hundegebells? Eine Alternative: Die Einschaltung eines Mediators. In gemeinsamen Verhandlungen werden Lösungen erarbeitet, die allen Belangen bestmöglich gerecht werden, erklärt Wenz. Es geht um gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme.

Gerade bei „tierischen Streitereien“ bietet sich ein solcher Weg an. Denn: Juristisch-nüchtern betrachtet hat das Tier den ähnlichen Stellenwert einer Sache. Zumindest für seine Besitzer jedoch, hat das Tier aber meist eine ganz andere Bedeutung. Hier schwingen Emotionen mit, das Haustier wird gar als Familienmitglied verstanden, keineswegs als „Sache“. „In einem nüchternen Rechtsprozess finden etwa emotionale Aspekte und Werte, die sich in einer Rechtsnorm auch nur schwer erfassen ließen, gemessen an ihrer Bedeutung für die Streitparteien oftmals zu wenig Berücksichtigung“, sagt Wenz. In einer Mediation könne man diese Aspekte indes stärker gewichten.

Wie schwierig der adäquate Umgang mit der „Sache“ Tiere sein kann, zeigt das Beispiel des Pferde-Kaufs. Plötzlich bockt das Tier, der Käufer war allerdings davon ausgegangen, dass sich das Pferd problemlos reiten lässt. Nun möchte er es zurückgeben – und streitet darüber mit dem Verkäufer, der den Kauf eben nicht rückgängig machen möchte. Wer ist im Recht? Wem ist ein Vorwurf zu machen: Dem Verkäufer, der möglicherweise falsche Erwartungen weckte? Dem Käufer, der es vielleicht einfach nicht versteht, mit dem Tier richtig umzugehen? Oder ist an allem nicht schlicht das Pferd schuld: Das sich vom Verkäufer problemlos reiten lässt, den Käufer aber schlichtweg ablehnt...? Und: Nach welchen Kriterien lässt sich die „Reitfähigkeit“ bewerten? Überhaupt: Wer übernimmt eigentlich in der Zeit des jahrelangen Gerichtsprozesses die Verantwortung für das Pferd?

Im Mediationsverfahren habe man hingegen bestenfalls innerhalb weniger Wochen eine Lösung, erklärt Wenz. Dies auch unter Berücksichtigung des „Tierwohls“. Eine typische Streitsituation: Das Ende einer Beziehung, und beide Partner wollen den Hund behalten. Das manchmal gar nicht einmal unbedingt aus Liebe zum Tier als vielmehr als Machtdemonstration gegenüber dem Ex. Zwar geht der Konflikt um die „Sache“ Tier. In der Mediation allerdings muss nicht unbedingt ausschließlich die Streit-„Sache“ im Fokus stehen, hier kann beispielsweise auch das „Wohl“ des Tieres als Entscheidungskriterium stärker betont werden.

„Jede Lösung ist individuell“, meint Wenz. Ein Patentrezept gibt es nicht. In der Mediation sollen die Streithähne ihre eigene Lösung selbst gestalten. Wenz weiß aber auch: Die Bereitschaft zur aktiven Arbeit an einer Lösung muss da sein – von beiden Parteien. Sonst ist eine Mediation kaum möglich. „Wenn es einfach ums Rechthaben geht, dann wird es schwierig.“ Und wenn sich Esel, Ponys, Lamas und Rocker zoffen, Zäune zerschnitten sind, die Polizei ermittelt und die Bild-Zeitung berichtet, dann ist sowieso wohl längst Hopfen und Malz verloren. Menschen können eben durchaus zu Eseln werden...

Von Andreas Erb