Hier geht es zu meinem Coachingblog

Nein, niemand hat das Recht, Sie anzubrüllen!

Nein, niemand hat das Recht, Sie anzubrüllen!

Nein, niemand hat das Recht, Sie anzubrüllen!

Eigentlich wollte ich heute über etwas ganz anderes schreiben, aber seit einem Konfliktcoaching Anfang der Woche brennt mir ein Thema auf der Seele! Heute möchte ich Ihnen die Geschichte einer Kundin erzählen - Nennen wir sie "Lena".

Normalerweise würde ich niemals über die realen Fälle und Nöte meiner Kunden schreiben, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme, da die Idee zu diesem Artikel von meiner Kundin selbst stammt. Sie war es, die meinte: „Mensch, das Thema schreit doch nach einem Artikel, Sie dürfen gerne anonym über mich berichten!“. Da ich denke, dass es sich um ein ganz wichtiges Thema handelt, greife ich den tollen Vorschlag gerne auf!

Kommen wir nun aber zu Lena´s Situation: Sie ist Mutter - Akademikerin und Mitte vierzig. Lena übt ihren Beruf - den ich aus erkennungstechnischen Gründen nicht benennen möchte - selbständig aus. Man muss dazu sagen: In ihrem Beruf hat sie es richtig drauf, sie hat super Ideen, die sie zu wahren Meisterwerken umsetzt. Vom Typ her ist sie eine sehr sanfte, immer freundliche und hilfsbereite Frau. Wenn sie diesen Artikel lesen wird, wird sie aus Bescheidenheit sicherlich sagen, dass ich bezüglich ihrer beruflichen Fähigkeiten maßlos übertreibe, aber das tue ich nicht!

Vor einigen Wochen hat Lena einen Auftrag in der Nachbarschaft angenommen. Es wurde ein für den Nachbarn sehr guter und für Lena wenig guter Preis ausgehandelt. Doch dies ist nicht das einzige Problem: Im Laufe der Zeit übernimmt Lena rund um das Projekt immer mehr Pflichten, die üblicherweise in ihrer Branche gar nicht zu der vereinbarten Leistung gehören. Der Nachbar fordert recht dreist immer mehr und Lena ist einfach zu gutmütig um „Nein!“ zu sagen.

Immer öfter erhält Lena Mails des Nachbarn in unverschämtem Ton, in denen er moniert, dass das Projekt zu langsam vorangehe und die sie wohl zu noch mehr Leistung antreiben sollen. Ständig fordert er neue - in der Branche unübliche - Leistungen. Viele Berufskollegen von Lena hätten dem Auftraggeber vermutlich schon den Vertrag gekündigt, aber Lena bleibt geduldig, freundlich und nett. 

Und als ob das Ganze nicht schon schlimm genug wäre, kommt noch hinzu, dass Lena von ihrem Nachbarn nun auch noch immer öfter persönlich angegangen und häufig angebrüllt wird.

Und Lena? Sanft wie sie ist, lässt sie es über sich ergehen und lässt das Ganze mit sich geschehen. Sie wehrt sich nicht und bleibt nach wie vor nett und freundlich. Das Gebrüll bleibt gänzlich unkommentiert.

Und die Folge des Ganzen: Lena schläft immer schlechter, ist immer unglücklicher und entnervter und hat nur noch ein Ziel vor Augen: Das Ende des Projekts! Sie kann den Moment kaum noch erwarten, in dem der Nachbar und sie wieder getrennter Wege gehen. 

In dieser verzweifelten Situation wendet Lena sich an mich als Konfliktcoach. Sie möchte den Auftrag nicht niederlegen, dafür ist ihr Pflichtbewusstsein zu groß. Theoretisch ist ihr durchaus bewusst, dass das Verhalten des Auftraggebers definitiv viel zu weit geht und dass sie sich wehren sollte. Doch in der Akutsituation gelingt ihr das nicht. Sie wünscht sich Hilfestellung und Tipps, wie sie die nächsten Wochen besser überstehen und endlich wieder entspannter und zufriedener werden kann.

Aber wie kann das gehen? In dem Coaching wird ihr noch stärker als zuvor bewusst, dass sie sich nicht mehr so behandeln lassen möchte. Gemeinsam erarbeiten wir - unter anderem- Strategien, wie Lena künftig auf die Unverschämtheiten ihres Auftraggebers reagieren kann. 

Da Lena in den Situationen, in denen sie angebrüllt wird, wie gelähmt und vor den Kopf gestoßen ist, tut es ihr gut, konkrete Sätze in der Hinterhand zu haben, die sie im Akutfall bringen kann. Dies gibt ihr Sicherheit und neuen Mut, sich dem Auftraggeber selbstbewusst zu stellen.

Ich möchte ihnen hier nur mal zwei kleine Beispiele geben. Wenn ihr Auftraggeber wieder darauf pocht, wie „lahm“ sie doch ist, kann Lena ihn beispielsweise darauf hinweisen, dass ihre Leistungen weit über das am Markt übliche hinausgehen. Oder wenn er sie mal wieder anbrüllt, könnte sie z.B. sagen, dass er sich gerade im Ton vergreift und dass sie so mit sich nicht reden lässt. Oder auch: „Wenn Sie mich noch einmal anbrüllen, beende ich die Arbeit für Sie!“. 

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Und wie ist die Situation jetzt? Und das hat Lena geholfen? Die Handlungsoptionen geben ihr Sicherheit - wie sie mir glücklich berichtet hat. Allein die Tatsache, dass sie jetzt weiß, wie sie im Zweifel handeln und reagieren wird, hilft ihr dabei, sich nicht mehr als Opfer zu fühlen.

Wir lachen mittlerweile gemeinsam darüber, dass wir beide fast hoffen, dass der Nachbar wieder unverschämt wird, damit Lena mal in neuer Art und Weise reagieren und endlich Grenzen setzen kann - wie Sie es eigentlich von Anfang an hätte tun sollen. Doch wie das Schicksal es will: Seither hat der Nachbar nicht mehr gebrüllt, die Strategien mussten bisher noch nicht angewandt werden. Aber wenn der Auftraggeber mal wieder die Grenzen überschreiten sollte, dann bin ich mir sicher, dass Lena sich das voller Stolz nicht bieten lassen wird!

Vielleicht erkennen Sie sich ja ein bisschen in Lena wieder - Vielleicht sind Sie auch schon in einer solchen Situation gewesen. Jemand überschreitet Ihre Grenzen, beleidigt Sie, behandelt Sie offensichtlich ungerecht und brüllt Sie an -Ist Ihnen das auch schon passiert?

Eines steht fest: Ob im Beruf oder in der Familie - Sie müssen und sollten sich das nicht bieten lassen! Ich möchte Ihnen daher ein paar Gedankenanstöße zum Umgang mit solchen Situationen mit auf den Weg geben:

Wenn die Situation zu heftig wird und Sie wie gelähmt sind und sich nicht wehren können, dann sagen Sie schlicht etwas wie: „Ich finde Ihren Ton unangebracht! Wenn Sie weiter in dieser Weise mit mir sprechen, dann möchte ich das Gespräch nicht weiterführen!“ und verlassen Sie den Raum! Das Wichtigste ist erst einmal die demütigende Situation hinter sich zu lassen!

Machen Sie sich klar, dass Sie sich das nicht gefallen lassen müssen! Niemand hat das Recht, sie anzubrüllen und zu beleidigen: weder der Chef, noch ein Kunde und auch kein Familienmitglied! Stehen Sie - so gut wie möglich - für sich ein und schützen Sie sich! Sie haben zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit zu sagen: "Stop! Ich möchte nicht, dass Sie in diesem Ton mit mir sprechen!"

Es macht gar nichts, wenn Ihnen in der Situation nicht direkt eine Erwiderung einfällt. Auch im Nachhinein können Sie noch gut klarmachen, dass man so mit Ihnen nicht umgehen darf! Wenn Sie sich nicht trauen, sich dem Gegenüber persönlich zu stellen, dann könnte auch eine E-Mail oder einen Brief an denjenigen, der Ihre Grenzen verletzt hat, eine gute Möglichkeit sein. 

Lena ging es so, dass sie plötzlich ihre ganze Person als schlecht und unfähig empfand, nur weil sie nicht in der Lage war, sich gegen ihren Nachbarn zu wehren. Falls es Ihnen einmal in einer solchen Situation auch so geht, bitte ich Sie, sich klarzumachen, dass das "Sich-Behaupten-Können" einfach wie ein Muskel ist, den Sie trainieren müssen. Bisher haben Sie einfach noch nicht ausreichend gelernt, diesen "Muskel" zu verwenden - Dies sagt überhaupt nichts über Ihren Wert als Person aus! Im Gegenteil: Ihre Sanftheit und Freundlichkeit sind sehr tolle und positive Eigenschaften, und Sie sind nicht wertlos, nur weil jemand diese eigentlich positiven Eigenschaften ausnutzt und auf Ihnen rumtrampelt!

Am Beispiel von Lena konnten Sie auch sehen, wie viel Sicherheit Strategien und Sätze geben, die man sich vorab zurecht legt. Wenn jemand häufiger Ihre Grenzen durch Brüllen, Beleidigen usw. verletzt, dann spielen Sie in Gedanken doch mal die Situation durch und stellen Sie sich vor, wie Sie souverän reagieren und bestimmt Grenzen setzen! Ich bereite mich auf schwierige Situationen gerne vor, indem ich mir abends vorm Einschlafen den positiven Verlauf der Situation in allen Einzelheiten vorstelle - ähnlich wie ein Film, der vor meinem inneren Auge abläuft. Auch vor schwierigen Gesprächen, in denen man Grenzen setzen möchte, kann dies eine gute Vorbereitung sein!

Bleiben Sie in der Situation ruhig und bestimmt und beweisen Sie dadurch Größe!

Wenn Sie merken, jemand nutzt Sie aus und halst Ihnen immer mehr Pflichten auf, die eigentlich er erfüllen sollte, dann haben Sie bitte den Mut, „Stop“ zu sagen! Gerne können Sie dies in Ihrer freundlichen und sanften Art tun, aber bitte tun sie es! Lena könnte z.B. Ihrem Nachbarn mit einem Lächeln auf den Lippen z.B. sagen: "Na das müssen Sie schon selbst machen, das gehört nun wirklich nicht zu meinen Aufgaben!". 

Fressen Sie bitte nicht alles in sich hinein. Vertrauen Sie sich Ihren Freunden an. Diese können Ihnen helfen, die Situation besser einzuschätzen und haben bestimmt auch gute Handlungsideen, die Ihnen helfen, die Ohnmacht zu überwinden.   

Wenn Sie merken, die Situation belastet Sie stark und Sie kommen alleine nicht weiter, dann holen Sie sich bitte frühzeitig professionelle Hilfe eines Konfliktcoaches oder einer ähnlichen Berufsgruppe.

Waren Sie auch schon einmal in einer solchen Situation? Wurden Ihre Grenzen auch schon massiv überschritten? Ist es Ihnen gelungen, sich aus der Situation zu befreien? Über Ihre Kommentare und Anregungen freue ich mich wie immer sehr!

Herzlichst,

Ihre Christina Wenz

 


Kommentare (6)

  1. Heidi:
    Jul 06, 2016 at 09:39 AM

    Liebe Christina,

    das ist ein sehr schöner Artikel und wirklich sehr hilfreich. Ich bin bei unangenehmen Angriffen oft auch sprachlos und ärgere mich später maßlos über mich selbst - und brauche mehrere Tage, bis ich nicht mehr ständig darüber nachdenke. Ein guter Tipp finde ich sind Deine Beispielsätze, die man - so komisch das klingt - am besten auswendig lernt, damit man in ähnlichen Situationen gleich eine Schranke in das Gespräch einbauen und sich selbst besser schützen kann.

    Bitte mehr von solchen pragmatischen Alltagshelfer-Konfliktlösungs-Artikeln!

    Herzliche Grüße
    Heidi

  2. Christina Wenz:
    Jul 06, 2016 at 09:43 AM

    Liebe Heidi, herzlichen Dank für Deine Nachricht und das tolle Kompliment. Ich freue mich riesig, dass der Artikel Dir weiterhilft. Ja genau, man sollte die Sätze wirklich "griffbereit" haben - das gibt ganz viel Sicherheit! Wenn Du irgendwelche Wunschthemen hast, dann schreib mir ruhig, das ist immer sehr hilfreich! :-) Liebe Grüße, Christina

  3. Claudia Dieterle:
    Jul 06, 2016 at 05:32 PM

    Hallo Christina,

    ein wunderbarer Artikel, in dem sich sicher viele Menschen wiederfinden. Das Problem ist, dass man genau in dieser Situation emotional reagiert und wie gelähmt ist. Hinterher hat man dann die guten Ideen, was man hätte sagen sollen. Wenn es immer ähnliche Situationen sind, finde ich die Idee, sich Beispielsätze zurecht zu legen, sehr gut.

    Viele Grüße
    Claudia

  4. Christina Wenz:
    Jul 06, 2016 at 05:54 PM

    Liebe Claudia, herzlichen Dank für Deinen Kommentar, ich freue mich riesig, dass Du den Artikel hilfreich findest! Das mit den Sätzen hört sich wirklich banal an, aber es hilft! :-) Herzliche Grüße, Christina

  5. Elke Kaiser:
    Jul 07, 2016 at 09:41 AM

    Liebe Christina,

    danke für den Artikel!
    Du machst so gut nachfühlbar, wie es ist und was kommen wird, wenn man zu lange "lieb und nett" ist, obwohl es einem schon selbst zu weit geht. Manchmal schafft man es eben nicht.

    Besonders bemerkenswert finde ich, dass bisher noch nichts wieder vorgekommen ist. Meine Vermutung ist ja, dass Lena nonverbal die Botschaft sendet: "Ich lass mir das nicht mehr bieten! Komm nur her, wirst schon sehen!" .
    Und dass dies beim Nachbarn ganz richtig ankommt. Er wird ein Gespür haben, wo er so auftreten kann und wo er es tunlichst lassen sollte...
    Jedenfalls Klasse, und alles Gute für Lena und dich und deine andere Kunden. :) Herzliche Grüße! Elke

  6. Christina Wenz:
    Jul 07, 2016 at 10:10 AM

    Liebe Elke, ich danke Dir von Herzen für Deinen Kommentar und das tolle Kompliment. Ich freue mich sehr! :-) Ja, es ist wirklich wie verhext und es sorgte schon mehrfach für herzhaftes Lachen, dass wir etwas "enttäuscht" sind, weil unsere tollen Sätze nicht zur Anwendung kommen dürfen ;-). Ich bin gespannt, wie es weitergeht! Ich wünsche Dir auch von Herzen alles Gute, liebe Grüße, Christina


Kommentar schreiben

 

Erlaubte Tags: <b><i><br>

Wer schreibt hier??

Mediation Christina Wenz

Christina Wenz ist Mediatorin, Volljuristin und systemischer Coach. Nach langjähriger Tätigkeit im Notariat und in Führungspositionen an Universitäten ist sie in eigener Mediationskanzlei sowie als Coach tätig. Sie hilft ihren Kunden dabei, sich aus schwierigen Konflikt- und Lebenssituationen zu befreien und damit wieder mehr Wohlbefinden, Klarheit und ein entspannteres Leben zu erlangen.

Bekannt aus

Der Hund

Der Hund

Der Hund

Der Hund

Der Hund

Der Hund

Der Hund

Der Hund