Für das Apothekenmagazin "Unsere besten Freunde" gibt die Mediatorin Christina Wenz Tipps, wie sich Streit rund ums Tier an Weihnachten vermeiden bzw. lösen lässt.
Alle Jahre wieder…
Tierischer Ärger unterm Weihnachtsbaum – Das muss nicht sein! Wie Sie auch an den Feiertagen Ärger rund ums Tier lösen können
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Familie Z. hat einen Hund und möchte ihn an Weihnachten gerne mit zu den Eltern nehmen, doch die Schwester von Frau Z. macht deshalb einen riesigen Aufstand, da sie Hunde nicht mag und findet, dass diese stören und stinken. Familie Z. droht damit, dann gar nicht zum gemeinsamen Fest zu kommen.
Familie B. möchte über die Feiertage gerne in Skiurlaub fahren. Frau B. liebt den Familienhund über alles und möchte ihn auf keinen Fall in eine Hundepension geben und stattdessen mitnehmen. Herr B. möchte den Urlaub in einem vornehmen Hotel verbringen und findet, dass der Hund dort nur störe. Er meint sowieso, dass seine Frau zu viel Wirbel um den Hund macht. Der Urlaub droht zu platzen.
Herr L. liebt Hunde seit seiner Kindheit. Er weiß, dass seine Kinder sich auch von Herzen einen Hund wünschen. Daher möchte er Weihnachten gerne zum Anlass nehmen, um den Kindern einen Welpen zu schenken. Seine Frau ist strikt dagegen, sie hat keinen Bezug zu Hunden und meint, diese machen nur Arbeit. Herr L. lässt nicht locker und droht damit, einfach einen Hund zu kaufen - immer öfter kommt es zu Diskussionen zwischen dem Ehepaar.
Diese Beispiele zeigen, wie leicht es auch an Weihnachten Ärger rund ums Tier geben kann. Schnell kann die Situation eskalieren, und ein friedliches Fest steht dann in den Sternen. Dabei wünschen wir uns doch gerade an Weihnachten Friede und Harmonie in der Familie. Was können wir tun, um derartige Situationen zu retten - und trotz unterschiedlicher Wünsche und Auffassungen gute Lösungen finden, damit ein glückliches und entspanntes Weihnachten möglich ist?
Ich möchte Ihnen einen Weg hierzu vorstellen, der stark an das, was wir in einem Mediationsverfahren machen, angelehnt ist. Um das Prinzip zu veranschaulichen, verwenden Mediatoren gerne das folgende Beispiel: Eine Mutter kommt in die Küche und sieht, dass ihre Töchter lautstark um eine Orange streiten. Sie schaut sich den Zirkus eine Zeit lang an, nimmt dann die Orange, und teilt sie in zwei Hälften. Dann drückt sie jedem Kind eine Orange in die Hand. Die Mädchen schauen sie entsetzt an und ziehen dann missmutig von dannen. Die Mutter versteht die Welt nicht mehr, warum sind die Kinder jetzt nicht zufrieden?
Ganz einfach: Hätte die Mutter nachgefragt, wozu die Orange von den Kindern jeweils benötigt wird, hätte sie erfahren, dass die eine Tochter die Orange wollte, um Saft daraus zu pressen und die andere Tochter die Schale zum Backen benötigt hätte.
Es hätte also überraschenderweise eine Lösung gegeben, die alle Beteiligten zufriedengestellt hätte – man hätte einfach nur nachfragen müssen: Warum ist Dir das so wichtig? Was ist Dein Bedürfnis?
Das Herausfinden der Bedürfnisse stellt das Kernstück eines Mediationsverfahrens dar. Der Mediator hilft allen Beteiligten dabei, herauszufinden, was ihnen wirklich wichtig ist – um dann eine Lösung zu entwickeln, die diese Bedürfnisse berücksichtigt.
Diese Methode funktioniert auch sehr gut im Alltag. Schauen wir uns das Ganze einmal am Beispiel von Familie L. an: Herr L. würde gerne das Weihnachtsfest zum Anlass nehmen, um einen Hund zu kaufen, seine Frau ist strikt dagegen. Grundsätzlich muss natürlich gesagt werden, dass Tiere als Weihnachtsgeschenk für Kinder nicht geeignet sind. Die Tierschutzvereine können ein garstig‘ Lied singen von Tieren, die wenige Wochen nach Weihnachten aufgrund von Überforderung und ähnlichem abgegeben werden. Wenn sich aber die Eltern -beide- bewusst für einen Hund entscheiden, spricht natürlich nichts dagegen, diesen an Weihnachten in die Familie zu holen.
Nun aber zurück zur Familie L.: Wie kann es hier gelingen, eine für Mensch und Tier gute Lösung zu finden? Meine Empfehlung ist, dass Herr und Frau L. sich zunächst zusammensetzen, und in Ruhe schauen und auch aufschreiben, was ihnen in Bezug auf das Thema „Hundekauf - ja oder nein?“ wichtig ist. So könnte sich bei Herrn L. vielleicht herausstellen, dass er sich Verbundenheit mit einem Tier und einen Begleiter bei seinen einsamen Spaziergängen wünscht. Oder aber er wünscht sich, dass seine Kinder, genau wie er, in den Genuss des Aufwachsens mit einem Tier kommen. Mögliche Bedürfnisse von Frau L. könnten sein, frei von weiteren Verpflichtungen und entspannt zu leben. Möglicherweise wünscht sie sich ein sauberes Zuhause, und hat Angst vor der jahrelangen Bindung an ein Tier. Allein dadurch, dass wir hören, warum dem Anderen etwas so wichtig ist, sind wir oft eher bereit, ihm entgegenzukommen.
Bei Streit rund ums Tier dürfen natürlich die Bedürfnisse des Tieres nicht vergessen werden. In einem nächsten Schritt ist es daher sehr hilfreich, sich einmal die grundlegenden Bedürfnisse aufzuschreiben, die ein Hund nun einmal hat. Zu den alltäglichen Dingen wie Spaziergänge, Urlaubsbetreuung, Ausgaben für Futter und Tierarzt können auch schnell außergewöhnliche Kosten wie etwa Klinikkosten kommen, die durchaus schon einmal mehrere tausend Euro betragen können. Grundvoraussetzung für die Anschaffung eines Hundes ist natürlich, dass all diese Bedürfnisse zu hundert Prozent erfüllt werden könnten.
Als nächstes schlage ich vor, dass das Ehepaar L. kreativ wird und - vorerst ohne Bewertung – alle Lösungsideen sammelt, die ihm rund um das Thema „Hundekauf - ja oder nein“ in den Kopf kommen. In einem zweiten Schritt wird dann geschaut, welche der Lösungen den Bedürfnissen aller Beteiligten am Besten gerecht wird.
Mögliche Lösungen für die Familie L. können beispielsweise sein, dass die Familie keinen Hund anschafft und Herr L. sich seiner Frau zuliebe dafür entscheidet, „nur“ Gassigänger in einem Tierheim zu werden. So hätte er dennoch einen Begleiter bei seinen Spaziergängen durch den Wald und auch eine – wenn auch nur vorübergehende - Verbindung zu einem Tier. Oder Familie L. wird erst einmal zur Pflegestelle für einen Hund, sodass Frau L. schauen kann, ob ihr das Leben mit Hund vielleicht doch gefällt. Wenn dem so wäre, könnte man den Hund ja behalten. Oder aber Frau L. willigt in die Anschaffung eines Hundes ein, wenn sie künftig von einer Reinigungsfachkraft im Haushalt unterstützt wird, und ihr Mann sämtliche Verpflichtungen wie Gassi – und Tierarztgänge übernimmt. Auch auf diese Art und Weise könnten die Bedürfnisse aller Beteiligten recht umfangreich berücksichtigt werden. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Jede Streitsituation ist individuell, daher gilt es immer, auch eine auf die konkrete Situation und die Beteiligten zugeschnittene Lösung zu finden.
Über die Autorin
Christina Wenz ist Mediatorin, Juristin und Konfliktcoach. Sie hilft ihren Klienten dabei, in Streitsituationen friedliche Lösungen zu finden. Neben Mediation in Familien und in der Arbeitswelt ist ihr besonderes Steckenpferd die Mediation bei Streit rund ums Tier.
aus: "Unsere besten Freunde - Das Tiermagazin aus Ihrer Apotheke", Nr. 12/2015, S. 20-21