Die Entchentassen, der liebe Frieden und warum Sie lernen sollten, nein zu sagen
Ein Gastbeitrag von Petra Czanik und Stella Damm
Wenn wir es schaffen, rechtzeitig "nein" zu sagen, dann können wir uns allerhand Konflikte ersparen. Vor allem die Sorte, die sich eine ganze Weile in uns drin abspielt, ohne dass der Andere etwas davon mitbekommt. Bei der wir für die andere Person innerlich schon eine lange Liste an „Schlechtpunkten“ angelegt haben, die wir dann alle zugleich hervorkramen bei der ersten Auseinandersetzung. Die Art Konflikt, die wir uns einhandeln um des lieben Friedens willen. Ein Beispiel, das Sie sicher in der einen oder anderen Art kennen:
„Also weißt du, ich ertrag seit Jahren deine scheußlichen Teetassen, ohne was zu sagen, und dann kann ich nicht mal ein Bild aufhängen, das mir richtig gut gefällt, ohne dass du ein Drama draus machst?“
Wir vermuten mal: Es wird bei Ihnen nicht um Teetassen gehen, sondern vielleicht um das ständig laufende Radio der Kollegin, das Sie seit Jahren ablenkt und stört, oder um das häufige Babysitten für Ihre Schwester, das Ihnen eigentlich zu viel ist in Ihrem stressigen Alltag und Ihnen nur Gemotze einbringt, wenn Sie den Kids ein Eis kaufen, weil die ja keinen Zucker essen sollen. Oder um ganz etwas anderes.
Aber: Auch Sie haben etwas in dieser Art entweder mal zu jemandem gesagt, oder von jemandem gehört, stimmt’s?
Wenn Sie es gesagt haben, dann waren Sie vermutlich am Ende Ihrer Geduld, haben sich ausgenützt, übertölpelt, nicht geschätzt oder einfach ungerecht behandelt gefühlt.
Wenn Sie es gehört haben, sind Sie vermutlich aus allen Wolken gefallen. Er findet die Teetassen scheußlich? Und sagt das nie? Und dann wirft er es Ihnen vor? Unfassbar. Und unfair. Wenn Sie zurückdenken, dann erinnern Sie sich genau, dass er damals, als Sie sie gemeinsam (jawohl, gemeinsam!) gekauft haben, direkt neben Ihnen stand und ganz klar Ja sagte, als Sie meinten: „Sind die nicht super süß mit den kleinen Entchen? Wollen wir die kaufen?“ Und plötzlich sind das nicht mehr die gemeinsam gekauften süßen Teetassen sondern Ihre scheußlichen? Sowas Gemeines!
Von außen ist es ganz leicht zu sehen, was hier passiert ist: Sie war so süß begeistert, er wollte keinen Konflikt.
Er wollte zeigen, dass er sie liebt und unterstützt, er hat lieber nachgegeben als diskutieren zu müssen. Und er hat nicht daran gedacht, dass diese Tassen dann jahrelang auf dem Frühstückstisch stehen würden. Immer wenn er gut gelaunt ist und mit sich, der Welt und ihr im Reinen fühlt, übersieht er sie großzügig, die Entchentassen. Und immer wenn er miese Laune hat oder ohnehin ein Hühnchen zu rupfen hat mit ihr, sind die kitschigen Entchen ein Stachel in seinem Ästhetenfleisch. Und sie ist schuld. Natürlich sagt er nichts, er will ja keinen Konflikt, aber immer wenn die Teetassen ihn nerven, bekommt sie einen Schlechtpunkt. Und irgendwann bricht die Teetassengeschichte aus ihm hervor, mitten im Streit.
Hätte er damals im Geschäft gleich gesagt: „hmmm, ich kann verstehen dass du sie süß findest, aber mein Geschmack sind sie nicht, wenn ich ehrlich sein soll, und ich würd nicht gern jeden Tag draus trinken“ – ja, dann hätte sie vielleicht ein Schnoferl gezogen (das ist wienerisch für Schnute :-)), aber sie hätte gewusst, woran sie ist, und die beiden hätten bestimmt andere Teetassen gefunden, die ihnen tatsächlich beiden sehr gut gefallen. Und vielleicht hätte sie sich eine Entchentasse oder zwei fürs Büro mitgenommen. Ende Teetassenthema.
Keine Schlechtpunkte für sie, von denen sie nichts ahnt. Keine späteren Vorwürfe.
Eigentlich ganz einfach, oder?
Und interessanterweise: nicht zuzustimmen wäre wesentlich netter gewesen als alles, was nach „Er wollte keinen Konflikt“ kam. Netter, ehrlicher, offener, beziehungsverträglicher, fairer. Und auf lange Sicht weniger anstrengend.
Leider denken wir nicht weit genug
Warum fällt es uns dann so schwer, "Nein" zu sagen, oder zu sagen, wenn uns etwas nicht gefällt, nicht schmeckt, wir etwas nicht wollen?
Unsere Gründe, auf ein „Nein“ oder eine klare Ansage zu verzichten, sind vielfältig und individuell. Wir wollen gefallen, wir wollen nett sein, wir wollen gemocht werden, wir wollen nicht diskutieren, wir wollen keinen Konflikt... das Entscheidende ist:
Wir denken in unserer sehr schnellen Entscheidung, was wir sagen, nicht weiter als bis zum nächsten Zug.
Wir denken nicht weiter in die Zukunft als bis zu der Reaktion, die wir vermuten, unmittelbar nachdem wir unsere Antwort gegeben haben.
Und da schätzen wir die Reaktion des Anderen, wenn wir zustimmen, wenn wir „ja“ sagen, wenn wir zusagen, einfach wesentlich angenehmer und erwünschter ein als seine oder ihre Reaktion, wenn wir „Nein“ sagen, oder zugeben dass wir Entchentassen kitschig finden.
Wenn wir weiter in die Zukunft denken würden, dann würden wir das alles sehen: dass wir dann eine Halbwahrheit in die Welt gesetzt haben oder sogar eine (nette, konfliktverhindernde, Gefühle schonende... aber dennoch glatte) Lüge. Und dass die andere Person nun das erwartet, was wir da gesagt haben.
Dass wir das dann auch tun müssen, was wir zusagen. Dass uns das Zeit und Kraft kostet. Dass wir uns danach vielleicht übervorteilt oder ausgenützt fühlen, weil wir es in Wahrheit ja gar nicht tun wollten. Dass der andere das nicht wissen kann (er hat schließlich ein „Ja“ gehört), und wir trotzdem sauer sein werden auf ihn.
Oder eben dass wir dann aus den Tassen trinken müssen, von denen wir behauptet haben, dass sie uns auch gefallen.
Und dann würde es uns auch leichter fallen, eine ehrliche Antwort zu geben, oder?
In der Schnelligkeit normaler Gespräche kann es schwierig sein, so weit zu denken.
Trotzdem ein paar Tipps, wie Sie das besser hinbekommen:
- Nehmen Sie sich mal die Zeit, ein paar nicht ganz ehrliche Antworten, die Sie in letzter Zeit gegeben haben, durchzudenken. Welche weiteren Folgen gab es? Sind Sie im Nachhinein zufrieden mit dem Ergebnis?
- Wenn es möglich ist, verschaffen Sie sich Zeit, bevor Sie antworten. Bei vielen Bitten können Sie z. B. sagen: „Ich überleg mir das und schau nach wie es sich zeitlich ausgeht, und ich melde mich dann morgen“. Oder Sie können mitten in einem Gespräch aufstehen und sich kurz entschuldigen – und beim Händewaschen drüber nachdenken, was Sie sagen möchten.
- Üben Sie einen Satz ein wie „Darüber müsste ich erst nachdenken“ – wer sagt, dass Sie immer auf alles eine Antwort parat haben müssen?
Der einfachste und wirksamste Ansatzpunkt ist aber der: Stellen Sie für sich in Frage, ob die unmittelbare Reaktion auf ein „Nein“ wirklich so unangenehm sein muss.
Schließlich haben Sie das auch selbst in der Hand – Sie können Ihre Antwort freundlich, verständnisvoll, liebevoll und dennoch klar und deutlich geben. Da ist es dann nicht so wahrscheinlich, dass Sie die andere Person kränken, als egoistisch rüberkommen, in eine hitzige Diskussion geraten, oder was auch immer es ist, das Sie befürchten.
So machen Sie Ihr Nein leichter verdaulich:
- Achten Sie auf Ihren Tonfall. Der andere ist nicht plötzlich ein Feind, nur weil Sie Nein sagen wollen.
- Machen Sie deutlich, dass Sie die Auffassung der anderen Person respektieren, die Bitte als solche in Ordnung finden etc. „Ich kann verstehen warum du die Entchen süß findest, sind sie auch... Aber wenn du eine ehrliche Antwort willst: Mein Geschmack ist es nicht, ...“ oder „Ich würde Dir da gerne helfen wenn ich die Zeit hätte – heute geht es leider gar nicht...“
- Wenn es passt, geben Sie eine Erklärung für Ihre Absage oder dafür, warum Sie Entchentassen nicht mögen etc.
- verfallen Sie nicht in Rechtfertigungen dabei, es geht nicht darum, Entschuldigungen zu präsentieren, sondern darum, dass Ihr Gegenüber besser nachvollziehen kann was in Ihnen vorgeht.
- Bieten Sie eine Alternative an, wenn Sie eine finden, die für Sie wirklich in Ordnung ist – das eignet sich besonders, wenn Sie eine Bitte ablehnen.
„... Wenn es Zeit bis zum Wochenende hat, können wir das gerne machen“ oder „... Aber ich könnte stattdessen gerne XY für Dich übernehmen“
- Brainstormen Sie mit dem Anderen gemeinsam, wie er sein Problem anders lösen könnte. Das macht deutlich, dass Sie auf seiner Seite sind, auch wenn Sie nicht direkt helfen können mit dem was er von Ihnen wollte. „Lass uns gemeinsam überlegen, wie sich das lösen lässt...“
- Machen Sie ein Gegenangebot. Wunderbar geeignet für die Entchentassen, z. B.: „Weißt du was? Ich würde die wirklich lieber nicht in meiner Küche stehen haben, aber ich sehe wie gut sie dir gefallen. Darf ich dir zwei schenken fürs Büro?“, aber auch bei Bitten um Hilfe, die für Sie so nicht gehen: „Übersiedeln helfen kann ich leider wirklich nicht, das macht mein Rücken nicht mit – aber was wäre wenn ich rüberkomm und dir beim Auspacken helfe?“
Wenn Sie Lust bekommen haben, richtig gut zu werden im Neinsagen (und zwar auf ein Art, die andere nicht vor den Kopf stößt) dann kommen Sie doch in unser kostenloses 10-Tage-Onlinetraining „Endlich Nein sagen“! http://www.solebenwieichwill.com/goodies/endlich-neinsagen-kostenloser-mini-kurs/
Die Autorinnen:
Petra Czanik und Stella Damm finden Sie auf http://www.solebenwieichwill.com und auf https://www.facebook.com/Solebenwieichwill/
Die beiden sind Trainerinnen und Coaches mit Schwerpunkt Selbstbehauptung, und unterstützen ihre Kunden dabei, besser auf sich und die eigenen Bedürfnisse zu schauen, auszuverhandeln, was sie für sich brauchen, sich bei Bedarf abzugrenzen und Nein zu sagen, und immun zu werden gegen emotionale Erpressung und Überrumpelung.
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